Stolberg – ZINCOLI-Kamin
Das heute brachliegende, ehemals industriell genutzte ZINCOLI-Gelände im Stolberger Stadtteil Münsterbusch soll als kleinteiliges Gewerbegebiet entwickelt werden. Der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan wurde im Jahr 2019 gefasst. In zentraler Lage auf dem Gelände befindet sich ein ca. 80 Meter hoher Schornstein, der sogenannte „ZINCOLI-Kamin“. Dieser soll erhalten, saniert und als „Landmarke“ im städtebaulichen Konzept integriert werden.
Im Rahmen des Wettbewerbs sollte der sanierungsbedürftige ZINCOLI-Kamin als Wahrzeichen Stolbergs nicht nur zu erhalten, er sollte vielmehr sowohl sichtbarer als auch erlebbarer werden. Als Landmarke soll das Industrierelikt in die Region strahlen und gleichzeitig von diesem Ort einen Blick in die Region ermöglichen. Auch die den Kamin umgebenden Freiräume waren zu gestalten.
In dem ausgelobten Realisierungswettbewerb sollten Teams aus Architekten, Künstlern und Landschaftsarchitekten Konzepte zur Umsetzung der Projektidee „Heimatblick“ entwickeln.
Hier finden Sie die Dokumentation zum Verfahren: Dokumentation ZINCOLI Kamin In Stolberg
1. Preis - STUDIO MRA
STÄDTEBAULICHE LEITIDEE
Der Entwurf sieht ein buntes, lebendiges Stadtquartier mit hohem Aufenthaltswert vor. So kann ein
kreatives und produktives Arbeitsumfeld für Start-ups entstehen, in welchem der Zincoli-Kamin die
zentrale Rolle einnimmt. Durch die neue Erlebbarkeit erfährt er zudem eine Wertsteigerung und wird
zur identitätsstiftenden Landmarke. Die lange Historie des Ortes wird aufgegriffen und gestalterisch,
durch die Interpretation der ortsprägenden Motive, in die Gegenwart transformiert. Dabei entsteht
ein eigenständiger Stadtbaustein mit hohem Wiedererkennungswert und großer Strahlkraft – auch
über die Stadtgrenzen Stolbergs hinaus.
STÄDTEBAULICHES GRUNDKONZEPT
Das neue Areal ist durchzogen von einer Grünzone die zum flanieren einlädt. Im Zentrum dieser
grünen Lunge des Quartiers befindet sich der neue – alte Zincoli-Kamin. Alle Gebäude sollen
gleichermaßen am Leben und Arbeiten rund um den Kamin partizipieren, daher orientieren sie sich
gleichrangig in Richtung der Mitte. Der Rhythmus in dem die Baukörper den Zincoli-Boulevard
säumen, leitet sich aus der Stellung der historischen Baukörper des Zinkhütter Hofs ab. Das neue
Quartier ergänzt so den Bestand, bei einer gleichzeitig hohen Eigenständigkeit. Die neuen Bausteine
reagieren auch in ihrer Höhenentwicklung auf die umliegende Bebauung und ergänzen behutsam
das städtebauliche Weichbild. Zudem begünstigt die lockere Setzung der Gebäude Einblicke und
Sichtbezüge auf das Areal und den Kamin.
LEITIDEE FREIRAUMPLANUNG
Mittig durch das neue Zincoli-Areal verläuft ein großzügiges grünes Band mit hohem
Aufenthaltswert. Die Grünanlage lädt sowohl zum spazieren, als auch zum verweilen ein. Dafür
werden in angemessen Anzahl offene und freundliche kleine Verweilmöglichkeiten geschaffen.
Durch differenziert gestaltete Bereiche werden abwechslungsreiche Atmosphären angeboten. Dies
formt den Rahmen für ein offenes, buntes und belebtes Quartier. Eine hohe Akzeptanz durch eine
attraktive Gestaltung, wirkt sich positiv auf den Wert der entstehenden Grundstücke aus und bildet
die Grundlage zur Ansiedlung “wertiger” Nutzungen.
DER KAMIN
LEITIDEE – NAH-/FERNWIRKUNG
Der Kamin als wichtiges Zeugnis der Industriegeschichte, des Ortes und der gesamten Stadt
Stolberg, soll sein charakteristisches Erscheinungsbild nach außen hin beibehalten und dennoch
eine neue Strahlkraft bekommen.
Der Kamin ist in seiner heutigen Gestalt befreit von der Funktion als Rauchschlot. Die Wahrnehmung
in der Bevölkerung Stolbergs ist durch diesen gewohnten Blick stark mit der einstigen Nutzung
verknüpft. Dieser Blick der Bewohner*innen wird durch behutsame und wohlüberlegte Eingriffen
gewandelt, der Kamin kann so “[…] gesehen und nicht einfach nur wiedererkannt werden”. (Viktor
Sklovskij, aus “Kunst als Verfahren”, 1916).
Der Umgang mit dem Kamin orientiert sich an der ursprünglichen baulichen Struktur. Die vorhanden
typologischen Elemente, Öffnungen und Richtungen werden künstlerisch in ein Raum- und
Fernerlebnis transformiert. Für die Bevölkerung soll er damit erlebbar werden, indem erstmalig das
Innere des Kamins geöffnet wird, um einen räumlichen Eindruck zu ermöglichen.
KÜNSTLERISCHER GRUNDGEDANKE
Durch den minimalinvasiven Eingriff – lediglich eine Öffnung in jede Richtung des Kamins – entsteht
eine individuelle Lesart und eine emotionale Verbindung beim Betrachter.
Wo der Eine ein Licht am Horizont sieht, assoziiert der Andere einen leuchtenden Stern. Der Nächste
findet darin einen Leuchtturm. Ein wieder Anderer hingegen, interpretiert das Licht als den Letzten
der Stadt “der nicht schlafen kann”. Dadurch entsteht für jeden sein ureigener und individueller Blick
auf den Zincoli-Kamin.
Diesen Blick für die Heimat, der sich aus einer Emotion begründen lässt, gibt dem künstlerischen
Entwurf die Kraft, über seine Grenzen hinaus mit den Menschen in und um Stolberg in einen Dialog
zu treten.
2. Preis - caspar.schmitzmorkramer
Für uns bedeutet der Leitgedanke „Heimatblick“ eine ganzheitliche Betrachtung. Mehr als ein nur ein Ort, ist der Begriff Heimat ein Gefühl und ein Bewusstsein, er umfasst Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. So schlägt unser Projekt Lösungen vor, die Geschichte reflektieren, Augenblicke ermöglichen und Grundsteine legen, für die Weiterentwicklung des Zincoli-Geländes und der Stadt Stolberg. Es war uns wichtig, unser Projekt einzubetten. Ein Masterplan, der den weiteren Kontext einbindet, ein Landschaftskonzept, das aus dem Ort und vorhandenen Qualitäten hervorgeht und eine Kunstinstallation, die zuversichtlich mit dem Wahrzeichen Zincoli-Kamin umgeht, ohne zu überwältigen, die sich mit ihm und der Region verzahnt.
DER MASTERPLAN
Das Projekt „Heimatblick“ auf dem ehemaligen Zincoli-Gelände ist Teil eines umfassenderen Projekts, eines neuen Gewerbegebietes für die Stadt Stolberg, für das wir einen innovativen, ikonischen und spielerischen Masterplan entwickelt haben.
Dem Bebauungsplan liegen vier Hauptaspekte zu Grunde:
1) Eine starke städtebauliche Verbindung zur Nachbarschaft mit einer klaren Ost-West-Achse, an die sich der Kamin gliedert und die das neue Gewerbegebiet auch mit dem Zinkhütter Hof verbindet. So entsteht ein aktives Gewerbe- und Kulturviertel, das Teil des Stadtlebens wird und ein starkes Gefühl von Urbanität und Gemeinschaft vermittelt.
2) Eine Synergie zwischen den neuen wirtschaftlichen Aktivitäten des Gewerbeparks und des Kulturquartiers, durch die, auf der Grundlage der lokalen Identität und Industriegeschichte Stolbergs, ein innovatives und spezifisches Projekt für die Stadt und das umliegende Gebiet entsteht.
3) Ein starker Verweis auf die historischen Stolberger Kupferhöfe mit der Ausgestaltung eines zentralen Platzes im Masterplan, gleich einem Werkhof. Der Platz schafft Fokus im Quartier, für Arbeiter, Besucher und Bewohner. Ein Ort für Veranstaltungen, ein Ort zum Kennenlernen und Austauschen. Ein Stadtplatz, verankert mit dem ikonischen Zincoli-Kamin, dessen Präsenz und Identität durch die Kunstinstallation maßgeblich verstärkt wird.
4) Eine Bebauung, die die Kanten der Hauptachse und des zentralen Platzes stärkt, mit Vorderseiten zum städtischen Leben hin und Hinterhöfen für die Gewerbe. In Anlehnung an die ehemaligen Fabrikgebäude wäre ein modulares Gerüst vorstellbar, in das Hallen und Büros eingesetzt oder Lücken gelassen werden können. Einheiten wären flexibel zusammenfassbar und könnten dem individuellem Flächenbedarf schnell und einfach angepasst werden.
DIE LANDSCHAFT
Das Landschaftskonzept verbindet die Leitidee des Masterplans, um den Kamin herum einen aktiven Platz mit Bezug zum Gelände des Zinkhütter Hof zu schaffen, mit der Idee eines Parks. Eine zentrale, modellierte Rasenfläche und eine „Island of Wilderness“ gliedern die zentrale Freifläche um den Kamin. Das Projekt umfasst auch die Villa und ihre direkte Umgebung. Eine Reihe von bepflanzten Terrassen im Osten schaffen eine häusliche Umgebung, einen Garten für die historische Villa und fassen so auch räumlich den Stadtplatz und den Museumshof zusammen. Parallel dazu im Süden, verläuft eine Rampe als sanfte und barrierefreie Fußgängerverbindung zwischen den zwei Destinationen.
Der Platz selbst ist ein großer, Gemeinschaftsbereich für Fußgänger, Radfahrer sowie Anlieferungsverkehr der Gewerbehallen. Gepflastert wird die Fläche mit großen Platten aus recyceltem Beton mit Grasfugen. Entlang der Gebäudekanten am Rand des Platzes verläuft ein Netzwerk von bepflanzten Mulden, in welche die versiegelten Flächen entwässern und die so zur Regenwasserrückhaltung beitragen.
DER KAMIN
Unsere Installation zelebriert, enthüllt und verschärft die Geschichte und außerordentliche Typologie dieses industriellen Baudenkmals nicht durch Addition oder Verkleidung, sondern durch Offenbarung seiner selbst. Der Zincoli-Kamin ist nicht Leinwand, sondern Kunstwerk in sich selbst. In diesem Licht wollen wir ihn begreifbar und erfahrbar machen.
Die Krone des Schornsteins wird tagsüber, statt Rauchschwaden auszuwerfen, Licht in den Kamin bringen. Die aufgesetzte Konstruktion aus dünnen Stahlträgern greift die Tektonik von Industriebauten des zwanzigsten Jahrhunderts auf, darin integriert sind Reflektoren und optische Linsen, die das Sonnenlicht mit moderner Technologie über Röhren ins Untere und Innere leiten.
Der untere Zufluss des Schornsteins, wo sonst nur drückende Hitze, chemische Dämpfe, Dunkelheit und Strömung dominierten, wird am Tag vom Takt der Sonnenstrahlen animiert, dem Wetter gleich erleuchtet, belebt durch ein Spiel von Sonne und Wasser – Eine kleine Fontaine in der innersten Kammer des Kamins übernimmt die gebündelten Strahlen; Reflektion und Brechung tauchen den bisher obskuren Raum in neues Licht.
Nachts wird dieselbe Konstruktion, umgekehrt zum Mittelpunkt des neuen Viertels. Mit Hilfe von Leuchtmitteln wird die Fontäne weiter bespielt und über die gleichen Spiegel auf der Spitze, wirft die Installation auch einen neue Leuchtpunkt in die Region.
Die trichterförmige Böschung in der Landschaft, um den Sockel des Kamins, lädt zum Verweilen ein und bildet, gleich einem Amphitheater, einen markanten Erlebnisraum um die Installation. Die Geometrie der teilweise enthüllten Fundamente, wird zum Orchestergraben der Inszenierung.
3. Preis - Studio Pfeifle
Städtebau – Zincoli Valley
Mit dem Museum Zinkhütter Hof sowie den Hallen der ehemaligen Heinrichhütte prägen
weiterhin frühindustrielle Gebäudekomplexe den Stadtteil Münsterbusch. Großmaßstäbliche
Formationen und eine von Fertigungsprozessen bestimmte Anordnung bilden deren
Grundgerüst und schaffen bis heute einen imposanten Raumeindruck. Die strenge Linearität
und der Fokus des Zinkhütter Hofs setzen sich im Kamin fort und transportieren die
horizontale Ausrichtung ebenso in die Vertikale. Diese Elemente unterstützend, greift die
städtebauliche Planung die Ordnungsprinzipien des Bestands auf, und überführt sie in ein
stimmiges Gesamtbild.
Längliche Gebäuderiegel auf der Südseite spiegeln das im Norden liegende DLZ und bilden
gemeinsam den dreigeschossigen Rahmen des Areals. In Anlehnung und in angrenzender
Flucht des Platzes am Zinkhütter Hof entsteht der Platz am Kamin. Die inneren zwei- bis
dreigeschossigen Baukörper nehmen die Orientierung der ehemaligen Verwaltungsvilla auf,
und gewährleisten ein durchlässiges Quartier mit gleichwertigem Bezug aller Akteure auf
Platz und Kamin. Als Schlussstein beziehungsweise Auftakt zum Areal sitzt ein markanter
Solitärbau zur Markierung der Zufahrt im Westen. Die bereits bestehende Stichstraße zum
DLZ wird hinsichtlich Orientierung und Zugänglichkeit optimiert und zur zweispurigen
Ringstraße ausgebaut.
Freiraum – Ein Platz am Kamin
Orientierung, Verbindung und Identifikation – so lassen sich die
freiraumplanerischen Überlegungen für den neuen Platz am Kamin verdichtet
zusammenfassen.
Orientierung
Die ringförmige Erschließung des neuen Gewerbegebietes gewährleistet eine
gleichwertige Erschließung aller Gewerbegrundstücke und rahmt die neue
Platzfläche. Mit einer Breite von 6 m ist sie sowohl für den Schwerlast- als auch für
den Notverkehr so ausgelegt, dass sowohl die Anlieferung als auch der
Rettungsverkehr problemlos funktionieren. So bleibt die Platzfläche dem fußläufigen
Verkehr vorbehalten und ermöglicht eine ungestörte Aufenthaltsqualität. Die
Platzfläche bildet zusammen mit dem Kamin das Herzstück, den Mittelpunkt und
Orientierung zugleich auf der neuen Gewerbeterrasse.
Auf dem Platz sind die Dimensionen des Kamins (Höhe 80m) in verzinkten
Stahllettern und -linien nachgezeichnet. Für den Betrachter wird so die Höhe des
Kamins auf der Platzfläche erlebbar.
Kamin – ZINI
Aus der Ferne gut sichtbar, erhebt sich auf dem ehemaligen Schlot eine silberne
Skulptur, die als Wahrzeichen für den neuen Industriestandort fungiert. Sie erinnert
an die ehemalige Nutzung des Schornsteines und transformiert dessen
geschichtliche Verortung in die Zukunft. Nähern sich die BesucherInnen nun diesem
neuen Anziehungspunkt, taucht am Fuße des ehemaligen Schlotes eine Referenz
auf. Horizontal neben dem Turm liegend, scheint sich die Skulptur fortzusetzten. Die
Erinnerung an den Schlot wird abstrahiert fortgesetzt und verdeutlicht die
Transformation des Standorts.
Die zweiteilige Skulptur trägt den Titel Zini und verweist mit diesem Titel auf den
ortsgebundenen Namen Zincoli sowie auf den digital animierten gelben Wurm der
80er Jahre aus der Kindersendung Spaß am Dienstag. Diese Verbindung ist ein
spielerischer und freundlicher Verweis auf die ehemals toxische Rauchfahne.
Abstrakt, aber dennoch ablesbar: eine flüchtige Rauchfahne als Skulptur gefasst.
Als zweiteilige Skulptur hat Zini einen identitätsstiftenden Charakter. Sie wird
Wahrzeichen und Erlebnisort zugleich: während der eine Teil der Skulptur auf der
Spitze des Turms aus der Ferne sichtbar und unerreichbar bleibt, kann der zweite
Teil von Zini von beiden Seiten begangen und erkundet werden. Durch die
Verschiebung der Ringe ergeben sich interessante Ein- und Ausblicke auf die neu
entstandene Platzfläche.
Das Beleuchtungskonzept sieht eine einfache Beleuchtung des Innenraums der
Ringformen vor, die effektvoll durch die konstruktionsbedingte Verschiebung der
Ringformen nach außen eine einzigartige Ansicht bei Nacht ermöglicht. Dies
transformiert den ehemaligen Schornstein in ein Leuchtturmprojekt, das als
Wahrzeichen dem neuen Standort Zincoli von großem Nutzen wird und mit Zini
einen weitreichenden Anziehungsort schafft.
Zini ist eine Würdigung des Standortes, betont die historische Bedeutung und
verweist auf die vielfältigen Zukunftsaussichten der neuen Nutzung des Geländes.