BRAUNSCHWEIG – TEMPORÄRER ARCHITEKTURPAVILLON
Um die Attraktivität der Innenstadt zu erhöhen lobte die Stadt Braunschweig, vertreten durch das Dezernat Kultur und Wissenschaft, den Bau eines temporären Architekturpavillons, der, als zentral und gut erreichbar gelegener offener Raum u. a. für Beratungen in kulturellen Angelegenheiten und für (Kultur-)Veranstaltungen in den Sommermonaten Verwendung finden soll, aus.
Die Relevanz der Disziplin Architektur für Braunschweig sollte sich ebenso abbilden, wie die hohe Qualität der Architekturausbildung an der Technischen Universität Braunschweig. Zu diesem Zweck wurde mithilfe von Mitteln des Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) anhand einer Machbarkeitsstudie, welche ISR vor Beginn des Wettbewerbs erarbeitete, die Grundlagen der temporären Architektur ermittelt und der Architekturwettbewerb geplant.
Das Verfahren wurde als nichtoffener, einphasiger Realisierungswettbewerb nach § 3 Absatz 3 RPW mit vorgeschaltetem Bewerbungsverfahren durchgeführt. Insgesamt bearbeiteten 6 Teams, jeweils bestehend aus mindestens einen Studierenden der TU Braunschweig und einem Mentoren-Architekturbüro, die Aufgabe.
Unter dem Vorsitz von Herrn Prof. Robert Niess kürte das Preisgericht nach einer konstruktiven und spannenden Diskussion am 22.11.2023 folgende Preisträger*innen:
1. Preis | HOCH! Jensen und Hultsch Architekten PartGmbB (Dip. Ing. Architekt Marcus Aurelius Jensen) mit Marc-André Tiede
Auszug Erläuterungsbericht:
HOCH! lädt ein den Domplatz aktiv zu nutzen und Blickwinkel zu ändern.
Der Fokus des Entwurfs liegt daher auf einer guten Wahrnehmbarkeit des Pavillons, einem maximierten Nutzer*innenkreis und einer möglichst großen Nutzungsdauer im Tageslauf. (…)
Nutzungen
- Black Box
Der Multifunktionsraum mit einer Grundfläche von rund 60 m² funktioniert bei geschlossenen Faltläden wie der Hauptraum eines kleinen Studiotheaters: als eine Black Box mit vielfältigen Bestuhlungsmöglichkeiten, Aufstellfläche für eine kleine Bühne sowie diversen Optionen zum Anbringen von Bühnentechnik im leichten Stahltragwerk. Aufgrund der Lage unmittelbar am Hauptzugang kann der Barbereich hier ebenfalls die Funktion Kasse/Einlass mit übernehmen. (…)
- Fenster zur Stadt
Öffnet der Multifunktionsraum einige oder alle seine Faltläden tritt er mit dem umfließenden Stadtraum in Beziehung. Bei vollkommen geöffneten Faltläden ist aus unserer Sicht ein Café-Betrieb oder eine Ausstellung die sinnfälligste Nutzung bei der zusätzlich zu den Bestuhlungsmöglichkeiten im inneren eine umlaufende Bank zum regengeschützten Verweilen einlädt. Teilweise geöffnete Faltläden ermöglichen es Besucher*innen zu lenken („Tunnel“) sowie z.B. gezielt eine Projektionsfläche im Innern zu erhalten bei gleichzeitig maximaler Offenheit.
- Himmelsleiter
Die Tribüne kann sowohl programmiert als auch unprogrammiert genutzt werden. Hinsichtlich einer programmierten Nutzung haben wir die Braunschweiger Domgemeinde im Fokus: Die Gemeinde kann bei Freiluftandachten bzw. Gottesdiensten auf der Tribüne Platz finden, ebenso Zuschauer*innen bei kleinen Konzerten der Domchöre. Darüber hinaus sehen wir das Potenzial die Sichtbarkeit der Domsingschule in der Stadt zu erhöhen, in dem die Tribüne selbst für Freiluftproben oder für Chorkonzerte genutzt wird, bei denen der umfließende Stadtraum der Zuschauerraum ist. Als unprogrammierte Nutzung sehen wir die Tribüne von HOCH! als Treffpunkt bzw. für Pausen beim Stadtbummel oder beim Einkaufen. Aufgrund der Lage an der Fassade kann der Barbereich bei geschlossenem Pavillon über einen Klappladen als Bar/Kiosk zur Versorgung der Tribüne genutzt werden. (…)
Grundriss EG, Jensen und Hultsch Architekten mit Marc-André Tiede
Perspektive Außenraum, Jensen und Hultsch Architekten mit Marc-André Tiede
Perspektive Innenraum, Jensen und Hultsch Architekten mit Marc-André Tiede
2. Preis | TAPBS TEMPORÄRER ARCHITEKTURPAVILLON BRAUNSCHWEIG GIESLER ARCHITEKTEN Gesellschaft für Architektur und Stadtplanung mbH (Stefan Giesler) mit Friedrich Mühlmann und Josepha Zadow
Auszug Erläuterungsbericht:
(…) Die Idee des Pavillons ist die einer offenen und gleichzeitig raumbildenden Stadt-Intervention. Sechs ausgediente Schiffscontainer werden direkt auf den Platz gesetzt und durch ein Holzpodest verbunden. Ein markantes, leichtes Wolkendach auf der einen und die mächtigen, ausladenden Platanen auf der anderen Seite bilden den oberen Abschluss. Durch die freistehende Anordnung der Container als raumhaltige Wandscheiben fügt sich der Pavillon behutsam in das Platzgefüge ein. Es entsteht ein fließender Übergang zwischen Außen- und Innenraum.
Es werden im Wesentlichen zwei Haupträume gebildet, welche deutlich an der Breite der Zugänge und der Setzung des Daches abzulesen sind: Der Marktplatz unter der ultraleichten Dachkonstruktion als Veranstaltungs- und Kommunikationsbereich und das Atrium als kontemplativer, kreuzgang-ähnlicher Ausstellungsbereich. Das Atrium entwickelt sich nach innen gerichtet um eine der Platanen. Nach außen eher abgeschirmt und geheimnisvoll birgt dieser Bereich den Zugang zu vier Ausstellungsräumen. Im Gegensatz hierzu strahlt der großzügigere Marktplatz mit Bar/Café/Bühne nach außen, insbesondere in Richtung des Doms. Der sich hier neu ergebende Stadt-Raum wird temporär mitbespielt und einbezogen.
Die Container werden außen chrom-artig spiegelnd beschichtet. Je nach Stand der Sonne strahlt der gesamte Pavillon in den verschiedensten Facetten. Die Silhouetten der Umgebung, des Doms, der Bäume, aber auch die Bewegungen der Passanten und Besucher werden reflektiert und geben dem Ort einen neuen, ganz eigenen Charakter – ein Spiel mit Perspektiven und Blickwinkeln. Die an den Pavillon-Ecken leicht hervorstehenden Container sollen die vorbeigehenden Passanten abbremsen und zum Entdecken einladen. (…)
Die ultraleichte Dachkonstruktion, die wie ein Kissen über der Veranstaltungsfläche zu schweben scheint und sich in den Abendstunden zu einer leuchtenden Attraktion transformiert, ist inspiriert von der Bauweise eines Zeppelins gepaart mit der flächendeckenden Tragkonstruktion einer Kassettendecke. Das Traggerüst ist allseitig überzogen mit einer transluzenten hellen Membran. Die Tragstützen werden direkt an den Containern eingespannt verankert, so dass insgesamt keinerlei Fundamente benötigt werden. Durch das das rote Vorhang-Gestänge, welches sich wie ein Gitter vor die Öffnungen ziehen lässt, kann der Pavillon nachts verschlossen werden. (…)
Grundriss EG, GIESLER ARCHITEKTEN mit Friedrich Mühlmann und Josepha Zadow
Perspektive Außenraum, GIESLER ARCHITEKTEN mit Friedrich Mühlmann und Josepha Zadow
Perspektive Innenraum, GIESLER ARCHITEKTEN mit Friedrich Mühlmann und Josepha Zadow
3. Preis | CUBEtoEAT STAUTH | Architekten PartG mbB (Marleen Stauth) mit Kim-Sophie Stichnoth
Auszug Erläuterungsbericht:
Das Klima der Stadt verschlechtert sich zunehmend. Grüne Orte in der Innenstadt fehlen und die Versiegelung nimmt weiter zu. Doch je grüner die Stadt, desto höher die Lebensqualität in ihr. Grün schafft sowohl Luftverbesserung als auch Aufenthaltsqualitäten, sei es für Kinder, die aus der Schule kommen, Berufstätige, die dort ihre Mittagspause verbringen oder Besucher, die die Stadt erkunden. (…)
Das System CubetoEat basiert auf den Größen der Europol-Kisten. Hierbei wurden mit einem System aus grünem Stahl und den Europol-Kisten raumbildende Segmente und Möbel entworfen. Es ist ein neuartiges, variables System, das temporär eingesetzt und somit auf- und abgebaut und jederzeit zu Neuem konfiguriert werden kann. Die Idee der Essbaren Stadt fördert zudem die regionalen und geschlossenen Nährstoffkreisläufe, sowie die Biodiversität. Obst und Gemüse für alle. Das Gemeinwohl soll gestärkt, Vandalismus vermieden werden, indem das reife Obst und Gemüse von den Braunschweigern und seinen Besuchern in wöchentlichen Seminaren geerntet und verzehrt werden kann. So soll dieser Ort nicht nur als Wohlfühlort gelten, sondern auch ein Ort der Zusammenkunft sein. Ein vertikaler Garten, der anregend, freundlich und einladend wirkt. Kinder können hier die Entwicklung der Pflanzen beobachten, selbst ernten und dabei spielerisch lernen. Zudem birgt es die Möglichkeit in sich Menschen das Bewusstsein für nachhaltige Ernährung näher zu bringen und schafft gleichzeitig neue Lebensbereiche für Bienen, Vögel und andere lebenswichtige Insekten in der Stadt. (…)
Die anderen zwei Möbelkörper dienen als Wandflächen für Ausstellungen. Nach Entfernung der zwei beweglichen Möbelkörper kann eine Innenraumbestuhlung mit 50 Sitzplätzen realisiert werden oder alternativ durch Erweiterung des Küchenmöbels Bestuhlungsszenarien an langen Tafeln für Seminare über Kräuterkunde o.ä. Zum Dom öffnet sich eine Bühne. Der Platz zwischen Dom und Bühne dient als variable Sitzfläche für die Bühne. Durch eine verschiebbare Gitterstruktur, aus dem System der Tragstruktur des Pavillons, ist der CubetoEat nachts abschließbar. Die Bühnenbeleuchtung kann an den Stahlkuben befestigt werden, durch die Vielzahl an Möglichkeiten wird auch hier die höchstmögliche Flexibilität geboten. (…)