Osnabrück – Justizzentrum
Das Justizzentrum Osnabrück (Land- und Amtsgericht sowie Justizvollzugsanstalt) sollte auf den landeseigenen Grundstücken in den bestehenden Gebäuden mit entsprechenden Erweiterungen nachhaltig für die Zukunft gestärkt werden. Die grundsätzliche Ertüchtigung des gesamten Standortes war architektonisch auszuformulieren. Ein gemeinsamer Eingangsbereich für beide Gerichte musste grundsätzlich neu entwickelt und gestaltet werden. Die prominente Lage am Neumarkt im Herzen von Osnabrück stellte hierbei eine besondere Herausforderung dar. Die neuen Gebäude sollten barrierefrei sein, zeitgemäßen ökonomischen, ökologischen und nachhaltigen Anforderungen entsprechen und sich möglichst offen präsentieren. Als Mittel zur Bestimmung der besten Lösung hinsichtlich Gestaltung, Funktion und Ökonomie für das Projekt und alle Kriterien der Nachhaltigkeit hatte sich das Land Niedersachsen zur Durchführung eines Realisierungswettbewerbs entschlossen.
Gegenstand des Wettbewerbs war der Entwurf für die architektonische Weiterentwicklung / den Teilneubau des Justizzentrums Osnabrück unter Einbeziehung des vorhandenen, teils denkmalgeschützten Gebäudebestandes. Schwerpunkt war die Einbindung der Neubauten in die Innenstadtlage Osnabrücks.
Das Justizzentrum Osnabrück besteht aus mehreren in unmittelbarer Nachbarschaft befindlichen Liegenschaften in der Innenstadt von Osnabrück. Zum Justizzentrum zählen Amtsgericht, Landgericht, Staatsanwaltschaft und die Justizvollzugsanstalt Lingen, Abteilung Osnabrück. Aufgrund gewachsener Aufgaben und Anzahl von Beschäftigten besteht zusätzlicher Raumbedarf. Die JVA befindet sich in einem stark sanierungsbedürftigen Altbau, der erhebliche funktionale und sicherheitstechnische Mängel aufweist. Mit der Erweiterung des Justizzentrums sollen Synergien zwischen den Justizbehörden genutzt und ein höheres Maß an Bürgerfreundlichkeit erreicht werden. Außerdem soll ein zeitgemäßer Sicherheitsstandard sowohl für die JVA als auch für die Gerichte umgesetzt werden. Aufgabe und Ziel des Wettbewerbes ist es, die grundsätzlich notwendige Ertüchtigung des gesamten Standortes architektonisch auszuformulieren. Die Lösungen müssen hinsichtlich Gestaltung, Funktion und Ökonomie der Kriterien der Nachhaltigkeit überzeugen.
Um die städtebauliche Entwicklung für den Standort planungsrechtlich nachhaltig zu steuern, wurde 2012 der vorhandene Bebauungsplan angepasst. Die bau- und planungsrechtlichen Vorgaben wurden so festgesetzt, dass die Erweiterungsmaßnahme sich harmonisch in den städtebaulichen Zusammenhang integriert. Der vertikalen Verdichtung im Innenhof wurde große Bedeutung beigemessen. Als 1. Bauabschnitt erhielt der sog. Flachbau des Amtsgerichts (Kollegienwall 29 – 31) jüngst eine eingeschossige Aufstockung. Hierdurch wurde das stadträumliche Profil des Kollegienwalls fortgeführt bzw. wiederhergestellt.
Hier finden Sie die Dokumentation zum Verfahren: Dokumentation Osnabrück Justizzentrum
1. Preis léonwohlhage, Gesellschaft von Architekten, Berlin
Über die klare innere Organisation hinaus geht es um den architektonischen Gesamteindruck des Justizzentrums und um seine Ausstrahlung in die Stadt hinein.
Für den Eingang und das Foyer des neuen Justizzentrums ist eine zeitgenössische Lösung sinnvoll, die eine klare Ordnung und eine würdevolle Gelassenheit einer Judikative ausdrückt und nicht mit der Monumentalität des 19./frühen 20. Jahrhunderts konkurriert.
Vor diesem Hintergrund gehen wir die Aufgabe an. Die Schwerpunkte unseres Konzeptes liegen in der äußeren Gestalt, also dem Gesicht des Justizzentrums zur Stadt hin und in der Logik seiner gesamten inneren Organisation, gelenkt durch ein hohes Maß an Bürgerfreundlichkeit und zeitgemäßer Sicherheitsstandards.
Städtebauliche Einbindung Hier im Übergangsbereich zwischen der Neustadt und der Altstadt wird der leicht angehobene Vorplatz gut über Treppen wie Rampen erreicht und bietet von dort einen Blick – aus leicht erhöhter Position – auf die Stadt und ebenso ins Gebäude hinein. Der neue Eingang besetzt wahrhaftig die Fuge zwischen Landgericht und Amtsgericht. Die räumliche Dramaturgie der trichterförmigen Verengung zwischen den beiden Bestandsbauten im ungesicherten Bereich und die weite Öffnung ins Foyer hinein kommen der Grundidee von Sicherheit und Öffnung entgegen.
Der Weg in das Justizzentrum beginnt an der mächtigen und für den Ort so wichtigen Platane am Landgericht und führt über eine Raumfolge bis ins lichte Foyer. Von hier aus wird der Blick in den Garten, einem Hortus Conclusus, gelenkt. Nahezu beiläufig werden die ungesicherten Bereiche des Publikums und der Anwälte sowie die Sicherheitsschleuse passiert.
Auch rückwärtig baut die Erweiterung ihre städtische Präsenz aus: Zum einen wird der geforderte öffentliche Weg entlang der Einfriedung des Gartens definiert, zum anderen wird die geschützte Zufahrt zum Gefängnis diskret und effizient organisiert. Auch der kleine grüne Vorplatz für die Besucher des Gefängnisses bietet eine würdige Ankunft und ermöglicht gleichzeitig einen diskreten Abstand zu den Nachbarn. Hier ist auch die gesicherte Zufahrt für den Gefangenentransport wie auch der Zugang für Mitarbeiter mit Auto in den zweiten Hof.
2. Preis rw+ Gesellschaft von Architekten und Martin Schmitt Architektur / Kommunikation im Raum, Berlin
Dem Entwurf für die Erweiterung des Justizzentrums Osnabrück liegen folgende Leitideen zugrunde: 1. Die Gestaltung einer gemeinsamen, repräsentativen und klar erkennbaren Adresse für das Amtsgericht und das Landgericht. 2. Die Verdichtung und Neuordnung des Blockinneren durch ein städtebauliches Passstück. 3. Eine robuste und gleichzeitig elegante Architektur für den Neubau der JVA sowie für die Erweiterungsbauten des Amts- und Landgerichts.
Städtebau / Kubatur
Die Erweiterungsflächen des Amts-, und Landgerichts sind als zweigeschossiges Gebäude konzipiert. In Verbindung mit dem zentralen neuen Eingangsbereich zwischen Amts- und Landgericht entsteht eine ringförmige architektonische Figur mit einem großen Innenhof. Die JVA wächst als eigenständiges rechteckiges Gebäudevolumen aus der Erweiterungsfläche des Amtsgerichts heraus. Der JVA-Neubau sowie die Erweiterungsflächen vermitteln gleichsam zwischen der nüchternen Architektur des Amtsgerichts und dem markanten und denkmalgeschützten Landgericht durch eine klare Fassadengliederung und eigenständige Materialität aus Beton.
Fassade / Materialität
Das neue Gebäudeensemble aus Erweiterungsflächen des Amts- und Landgerichts und der JVA wirkt durch seine geometrische und scharfkantige Formsprache monolithisch. Gleichsam ist die Fassade durch „Geschosspakete“, die ein bzw. zwei Geschosse hoch sind, in der Horizontalen durch rundumlaufende Geschossbänder gegliedert und nimmt somit Bezug auf das Bestandgebäude des Landgerichts. Das vertikale Fassadenraster spiegelt die Anforderungen aus den jeweiligen, dahinterliegenden Raumprogrammen und wird vom Erdgeschoss – mit vornehmlich Büroflächen – hin zu den Obergeschossen und den Zellen der JVA enger. Im Innenhofbereich öffnet sich die zweigeschossige Fassade großzügig. Insbesondere der Eingangs- und Wartebereich ist hier raumhoch über zwei Geschosse verglast und wird so optisch und räumlich mit dem Innenhof verbunden. Zudem wird auch das Kellergeschoss mit den Archivflächen unterhalb des Landgerichts natürlich belichtet. Die Plastizität der Fassade wird durch tiefliegende Fenster und abgeschrägte Brüstungselemente erzielt. Die Zellenfenster sind schmal konzipiert und benötigen somit nur wenige Stahlstäbe. Dadurch wird eine typische Gefängnisanmutung vermieden.
3. Preis harris + kurrle architekten, Stuttgart
Der Entwurf für den Neubau des Justizzentrums ist im Prinzip dreiteilig angelegt:
Ein zweigeschossiger Sockel mit Innenhof definiert de Stadträume „Am Landgericht“ in geschlossene Bauweise. Der Neubau nimmt dabei die Ausrichtung der Bestandsgebäude auf und vermittelt so die Geometrien der drei Baukörper Landgericht Amtsgericht und Neubau. Auf dem Sockel ruht ein einfacher, rechtwinkliger Baukörper mt sechs Geschossen. Dieser steht parallel zum Hochhaus des Amtsgerichts.
Zwischen Landgericht, Amtsgericht und Neubau verbleibt ein Zwischenraum, der als „gläserne Fuge“ gestaltet wird und den neuen Eingangsbereich des Justizzentrums aufnimmt. Zum Neumarkt öffnet sich der Eingang über eine großzügige Glasfassade, die durch die vertikale Gliederung mittels filigranen Betonprofilen einen repräsentativen Charakter ausstrahlt.
Insgesamt ergibt sich so ein sehr kompakter, platzsparender Neubau. Der heutige Hof mit Stellplätzen bleibt somit in voller Größe erhalten und wird durch eine Baumreihe ergänzt. Die Vorgaben des B-Pans werden durch den Entwurf weitgehend eingehalten und nur leicht modifiziert. So rückt der zweigeschossige Sockel „Am Landgericht“ von der Baulinie ab, um ausreichend Belichtung für die Büros auf dieser Seite zu generieren. Außerdem wird die Baugrenze zum Neumarkt überschritten, allerdings nicht im Bereich des Naturdenkmals. So entsteht eine höhere Präsenz des Haupteingangs am Neumarkt und zudem wird im Inneren mehr Platz vor der Schleusenanlage generiert.
Neuer Eingangsbereich
Man betritt das Justizzentrum über den bereits beschriebenen Haupteingang am Neumarkt. Nach dem Passieren der Schleusen gelangt man in einen zweigeschossigen, lichtdurchfluteten Raum mit Galerie, das neue Zentrum des Gesamtkomplexes. Die Galerie im 1. Obergeschoss erstetzt im Prinzip die heutige Brücke zwischen Land- und Amtsgericht. Darüber hinaus dient sie als Kurzschluss zwischen dem Altbau des Landgerichts und den Räumen dieser Gerichtsbarkeit im 1. bis 3. OG des Neubaus. Bei der Gestaltung des neuen Eingangsbereiches wurde besonderer Wert auf eine durch Tageslicht unterstützte Wegeführung gelegt, man geht immer „ins Helle“. Das Glasdach bieter außer der Atmosphärischen Qualität die Möglichkeit, sich mit dem Blick nach oben über die so immer präsenten Baukörper des Justizzentrums zu orientieren.